Ein Paar Krümel Brot!

Vor vielen, vielen Jahren, als die Leute vom Dorf oft so arm waren, dass die Kinder barfuß zur Schule gehen mussten und man noch wusste, was Ehrfurcht und Dankbarkeit ist, lebte irgendwo im Sauerland ein kleiner Junge. Er hieß Friedrich, aber alle nannten ihn nur „Schnöggel“. Denn er war wirklich ein fürchterlicher Schnöggel. Kaum etwas schmeckte ihm, kein Essen war ihm recht und er war des Morgens, des Mittags und am Abend oft deswegen am maulen und aß nur selten seinen Teller leer.

Einmal, es war kurz vor den großen Sommerferien, wie er morgens wieder zur Schule ging, machte er einen kleinen Abstecher in den Wald, um in seinem Ranzen nachzuschauen, was ihm seine Mutter wohl als Pausenbrot eingepackt hatte.

Er setzte sich gemütlich auf einen alten Stamm, kramte zwischen dem Schiefertäfelchen, Büchern, einer Zwille, seiner Mappe und anderem Kram seine Butterbrotstüte hervor, entfaltete das Papier und ..., ... und fing wieder fürchterlich an zu schimpfen. Es war nämlich nichts weiter darin als ein kleiner Kanten trockenes Brot, eine Möhre und ein Apfel.

Er hätte viel lieber Wurst oder Speck und Süßigkeiten gehabt, wie die Kinder der reichen Leute. Vor lauter Wut nahm er alles und warf es im hohen Bogen hinter sich. Bockig blieb er sitzen und dachte gar nicht mehr daran zur Schule zu gehen. Wie er nun so dasaß, zupfte ihn etwas von hinten an seinem Hemd.

Erschrocken fuhr Friedrich herum und fiel vor Schreck glatt vom Stamm. Denn vor ihm stand das kleine, uralte, sauerländer Mühlenmännlein, hielt ihm das Stückchen Brot hin, das er eben weggeworfen hatte und fing an ganz freundlich zu reden: „Das trockene Brot schmeckt dir wohl nicht?“ „Wie soll das da schmecken?“ meinte der Junge ärgerlich und dachte an die immer reich gedeckten Tische der feinen Leute. „Alles schmeckt, wenn es mit Ehrfurcht zubereitet und mit Dankbarkeit gegessen wird.“ Sagte das Mühlenmännlein sanft.

Dann legte es wohlwollend seine Hand auf Friedrichs Schulter und sprach: „Deine Mutter hat dir dieses Brot mitgegeben, lass uns versuchen, diese Gabe zu würdigen. Leg einmal ein paar Brotkrümel auf deine Zunge und schließe die Augen.“ Noch etwas ängstlich und auch neugierig legte er artig ein paar Brotkrümel auf seine Zunge und schloss die Augen.

Dann fing das Männlein wieder an, ganz gütig zu reden: „Kannst Du das Feld und die Erde schmecken, auf dem das Korn wuchs? Kannst du den Himmel schmecken, der über der Erde wachte, die Sonne, den Wind und den Regen spüren, der das Korn reifen ließ? Siehst du die Knechte und die Bauern, die im Schweiße ihres Angesichts das Korn ernteten?

Kannst Du ihre tiefe Freude über die gute Ernte spüren? Hörst Du das Rattern der Mühle, in der das Korn gemahlen wurde und siehst du die liebevolle Hingabe des Müllers, der mit seinem Geschick das Korn zu feinem Mehl werden ließ? Riechst du den köstlichen Duft des Backofens, der den Teig in einen herrlichen Leib Brot verwandelte und siehst du die Zufriedenheit des Bäckers über sein Werk? Fühlst, riechst, hörst und schmeckst du all das?“

Nach einer Weile öffnete der Junge die Augen und sagte leise: „ Das war das beste Brot, das ich je gegessen habe.“ Der kleine Friedrich war fasziniert von all dem Erlebten und er hatte nicht nur gelernt was alles in ein paar Krümeln Brot steckt, sondern auch, was Ehrfurcht und Dankbarkeit ist. Nie wieder würde er über’s Essen maulen, da war er sich nun ganz sicher. Doch nun war in dem Jungen die Neugierde geweckt und er wollte vom Mühlenmännlein alles ganz genau wissen.

Wie eigentlich eine Mühle funktioniert, wie das mit dem Sauerteig geht und wie am Ende aus dem frischen Mehl ein duftendes, wunderbares Brot wird.

Doch das erzählen wir Euch in der nächsten Geschichte.....

Woll!?

Michael Klute, der Mundwerker.
Entdecker und Freund des sauerländer Mühlenmännleins.
Zeichnungen: Maja Funke