Der ungeduldige Mühlenbäcker

Jau, jau, im Sauerland gibt’s so allerhand Gedöns, Gewerk und Gemensch. Zum Beispiel lebte da mal vor vielen, vielen Jahren, in dem kleinen Dörfchen Stockum ein junger Mühlenbäcker. Junge, Junge was war der ungeduldig. Der konnte einfach nix abwarten und schomma gar nicht das alljährliche Schützenfest.

Als er wieder einmal seinen Brotteig knetete und vom Schützenfest träumte, stand plötzlich das kleine uralte, sauerländer Mühlenmännlein vor ihm, kicherte und sprach: „Wie ich sehe kannst du’s schon wieder nicht abwarten, häää?! Da will ich dir mal helfen, weil es mir ja hier in deiner Mühle gut ergeht“ und es kramte eine kleine, silberne Büchse mit einem Faden hervor und sagte: „Wenn Du an diesem Bänneken ziehst, rauscht die Zeit an dir vorbei und zapzerap ..., ist Schützenfest.”

Der Mühlenbäcker nahm erstaunt die silberne Büchse und ohne lang zu überlegen, zog er gleich am Bänneken. Huiiiii..., da rauschte die Zeit nur so an ihm vorbei. Schon hörte er das Schützen­fest­trömmelken und wirklich wahr, zapzerap ..., war Schützenfest. Da wurde gefeiert, getanzt, getrunken, gegröhlt und gelacht. Und wer war mitten drin? Der fröhliche Mühlenbäcker. Aber kaum war das Fest vorbei, konnte er‘s Nächste nicht abwarten, zog gleich wieder am Bänneken, huiii..., ob ihr’s glaubt, oder nicht, hörte er auch schon das Trömmelken und zapzerap ..., war wieder Schützenfest. So ging es nun von einem Fest zum Nächsten. Jahr um Jahr um Jahr.

Das Leben des Mühlenbäckers war nur noch ein einziges, großes Schützenfest. Aber als er wieder einmal am Faden ziehen wollte, au weia, da war das Bänneken plötzlich zu Ende. Jetzt erst merkte der Mühlenbäcker, dass er inzwischen alt und gebrechlich geworden war. Das Leben lag hinter ihm. Soooo viel hatte er doch noch erleben und sehen wollen. Todtraurig schloss er die Augen, stand lange stumm da und weinte bittere Tränen. Als er die Augen langsam wieder öffnete, flupp ..., da stand abermals das kleine Mühlenmännlein mit einem Backblech duftender, kleiner Knäpplein vor ihm und kicherte laut: „Das wird dir wohl ne Lehre gewesen sein! Wenn du’s wieder mal nicht abwarten kannst, iss dir ein Knäpplein und nimm dir Zeit.“ Hoppla ..., da war’s auch schon wieder verschwunden, das Männlein.

Jetzt erst merkte der Mühlenbäcker, dass er wieder‘n jungen, flotten Burschen war. Das Leben lag, Gott sei Dank, noch vor ihm und ebenso der Brotteig, an dem er eben noch zugange war. Ein riesiger Mühlstein fiel ihm da vom Herzen. Das Warten hatte er nun aber gelernt! Seither ist es so: Wenn den Mühlenbäcker aus Stockum wieder einmal die Ungeduld packt, setzt er sich erst einmal in Ruhe hin, isst ganz gemütlich ein Mühlenknäpplein und hat dann alle Zeit der Welt.

Rauscht nun die Zeit auch an euch mal im Schweinsgalopp vorüber, so dass ihr mit der Arbeit und dem Leben einfach nicht hinterher kommt, dann macht’s wie der Mühlenbäcker aus Stockum. Es funktioniert und schmeckt einfach (Schützen)festlich. Woll?!

Michael Klute, der Mundwerker.
Entdecker und Freund des sauerländer Mühlenmännleins.
Zeichnungen: Maja Funke