Das schönste Geschenk nützt nix, wenn man es nicht...
Vor vielen, vielen Jahren, als der Kirchturm von Stockum noch fast gerade war, lebte dort der Michl, ein kleiner Bauernjunge. Der Michl war eigentlich ein liebes Kerlchen. Wenn allerdings jemand mit seinen Sachen spielen wollte, dann konnte er sich schon mal aufführen, wie ein kleiner Ziegenbock. Nun stand Weihnachten vor der Tür und der Michl wünschte sich vom Christkind so viele Dinge.
Seine sehnlichsten Wünsche aber waren ein Schweizer Taschenmesser, ein ganz modernes Rennrad und ein eigenes, großes Pferd. „So etwas werden die Anderen bestimmt nicht bekommen und die Sachen sollen nur mir gehören“, freute er sich. In der Nacht vor Heiligabend konnte er natürlich nicht einschlafen, so aufgeregt war er. Hin und her wälzte er sich in seinem Bettchen. Wie er endlich einmal still lag und sich gerade wieder all die schönen Geschenke vorstellte, die er sich wünschte, hörte er plötzlich Schritte, draußen auf dem Flur.
Ganz langsam und knarrend öffnete sich die Tür. Erst konnte der Michl nichts erkennen, so dunkel war es. „Das wird wohl die Mama sein“, dachte er. Aber dann, oh Schreck, stand plötzlich das Sauerländer Mühlenmännlein vor seinem Bettchen. Das Männlein kicherte leise, nahm sein kleines rotes Mützlein vom Kopf, hielt es dem Michl hin und flüsterte: „Brauchst keine Angst zu haben, sollst nur einmal hinein schauen, in mein feines, rotes Mützlein.“
Am liebsten wäre der Michl vor lauter Angst davongelaufen, aber er konnte nicht. Ob er wollte oder nicht, wie von Geisterhand bewegt, musste er nun in das rote Mützlein schauen. Erst sah er nichts weiter, als den dunklen Stoff , doch schon wurde es ganz hell in dem Mützlein und prompt sah der Michl sich selbst mit einem neuen Schweizer Taschenmesser, beim schnitzen.
Als nächstes sah er sich auf einem modernen, silbernen Rennrad daher sausen, hui war das schnell. Dann war er mit einem eigenen, riesig großen Pferd auf den schneebedeckten Wiesen unterwegs. Und er sah sich noch mit so vielen tollen Geschenken. Lauter Geschenke und alle gehörten ihm. Aber irgendetwas stimmte nicht mit dem, was der Michl in dem roten Mützlein sah. Er schaute noch eine ganze Weile hinein, bis ihm endlich auffiel, dass er überhaupt gar nicht glücklich aussah mit all den Geschenken.„Aber wieso nicht?“ fragte er sich.
Dann bemerkte er es endlich, nirgendwo sah er Freunde oder Spielkameraden, immer sah er sich nur alleine spielen. Anscheinend wollte Niemand mehr etwas mit ihm zu tun haben. „Vielleicht weil ihm seine Geschenke wichtiger waren als seine Freunde und weil er püpoüoüopü Geschenke nicht teilen wollte“, dachte der Michl.
Da fühlte er sich mit einem Mal sehr, sehr einsam und traurig und es liefen ihm bittere Tränen über’s Gesicht. Denn wer will schon ohne Freunde sein? Du vielleicht? Aber genau in diesem Moment begriff der Michl auch, dass das allerschönste Geschenk nichts wert ist, wenn man keine Freunde hat, mit denen man es teilen kann.
Lange lag er noch wach, bis er dann endlich einschlief. Als er am nächsten Morgen aufwachte, meinte er zuerst, es sei alles nur ein Traum gewesen. Doch dann bemerkte er ein kleines rotes Mützlein, dort auf seiner Bettkante, gefüllt mit duftenden, herrlichen Plätzchen. Da wusste der Michl, dass er in der letzten Nacht wirklich dem Sauerländer Mühlenmännlein begegnet war. Und jetzt stand sein Endschluss felsenfest, von nun an wollte er immer teilen und ehrliche Freunde haben, statt teure Geschenke für sich allein und einsam zu sein.
Noch am selben Tag, am Heiligenabend, fand er auch heraus, was es mit dem roten Mützlein noch auf sich hatte. Jedes Mal, wenn er die Plätzchen aus der Mütze verschenkte füllte sie sich wieder ganz von allein, wie von Geisterhand.
Das war wohl das Weihnachtsgeschenk vom Mühlenmännlein. In seinen Gedanken hat sich der Michl dann auch noch oft bedankt, bei dem kleinen Zwerg und viele tolle Freundschaften hat er im Laufe der Jahre geschlossen. Und das kleine rote Mützlein, das gibt’s heute noch. Vielleicht hast Du’s schon mal gesehen, irgendwo! Achte mal drauf!
Was nun der Michl in jenem Jahr vom Christkind zu Weihnachten bekommen hat, das weiß ich nicht, das ist auch nicht so wichtig, aber eines weiß ich ganz gewiss: Das schönste Geschenk nützt nix, wenn man es nicht teilen kann.
Michael Klute, der Mundwerker.
Entdecker und Freund des sauerländer Mühlenmännleins.
Zeichnungen: Maja Funke